Gestern bin ich einer Einladung von Google gefolgt und habe die Zukunftswerkstatt von Google kennengelernt. Google bietet ab sofort kostenlose Digitale Bildung z. B. in den Bereichen Online Marketing, Design Thinking oder Online Fundraising entweder zu Hause online oder vor Ort in München an. Ab 2018 gibt es sie auch in Hamburg und Berlin. Darüber hinaus temporäre Trainingseinheiten in einer Vielzahl von weiteren Städten in Deutschland.
Die gruppenspezifisch angepassten Lernprogramme von Google sind aber nicht nur für berufstätige Menschen wie mich, sondern für jedermann, für Senioren, für Vereine, auch für Lehrer und Schüler ausgelegt! Hier hat Google mit Open Roberta, mit Calliope und Expeditions eine Plattform geschaffen, die Lehrer und Schüler gleichermaßen digital bilden sollen. Und das halte ich für besonders wichtig.
Aber was heißt das eigentlich „Digitale Bildung“ und warum ist das auf einmal so wichtig?
Als Digitale Bildung gelten u.a. Medienkompetenz, Informatische Bildung, Algorithmisches Denken. Das sind Denk- und Arbeitsweisen, die auch in der Schule zu neuen Lernformen, neuen Lerninhalten und anderen Prozessen führen werden und denen ein hohes Maß an Agilität anhaftet. Sie sind dem Fortschritt der Wissenschaft und dem Wandel der Welt geschuldet und beides ist in anderen Teilen der Welt bereits so weit fortgeschritten, dass wir hier in Deutschland nicht mehr mithalten können, wenn unsere Schulen weiterhin nicht mit PCs oder Laptops ausgestattet werden und viele Lehrer selbst nicht geschult sind im Umgang mit dem Computer, geschweige denn digital ausgebildet.
Wir haben also einen großen Nachholbedarf, wenn wir unsere Kinder fördern wollen und wenn wir sie für die Zukunft wappnen wollen – so profan das klingt: damit sie die Studienbefähigung haben, wenn sie in vielen Jahren studieren werden. Dann wird nicht mehr nur gutes Lesen, Schreiben und Rechnen zählen sondern eben auch die vierte Kulturtechnik, die Digitale Kompetenz. Diese vierte Dimension überlagert die drei anderen Kulturtechniken, denn alles hängt miteinander zusammen. Auch wenn Kinder keine Informatiker werden, sondern einen ganz anderen Beruf ergreifen, vielleicht sogar ein Handwerk ausüben oder sich der Kunst widmen werden, werden sie auch mit Tablets lesen oder Bibliotheken besuchen, die zu Informationszentren ausgebaut wurden. Sie werden mittels algorithmischen Denkens ihre Denkstruktur bei der Lösung von Matheaufgaben verbessern, sie arbeiten mittels interaktiver Applikationen oder lernen unterstützt eine Sprache, weil sie auf mediale Techniken zurückgreifen können.
Es geht also um das Erlangen einer digitalen Souveränität – sowohl in der Schule, als auch zu Hause!
Können wir uns darauf einigen, dass wir von einem Menschenbild ausgehen, das den mündigen Bürger voraussetzt und das als Bildungsverständnis das lebenslange Lernen propagiert. Vor diesem Hintergrund ist das Bildungsideal des mündigen Bürgers die digitale Souveränität. Aber wie bekomme ich die in die Schule und nach Hause?
Der Schlüsselsatz ist, dass Kinder nicht nur digitale Konsumenten sein sollen, sondern zu Produzenten werden sollen: sie müssen selbst die Veränderung sein, die sie in der Welt sehen wollen. Und die Schlüsselerkenntnis für die Eltern wird sein: sich nicht über Dinge aufzuregen, die nicht zu ändern sind.
Und deshalb ist es für alle Beteiligten besser Brücken zu schlagen.
Ich persönlich bevorzuge in der Schule die Einführung von Laptops in der siebten Schulklasse, wie das z. B. in der Internationalen Schule geschieht. Weitere Ausführungen hierzu finden sie in „Wo bitte geht’s nach Stanford“, erschienen im Beltz Verlag. Der „Computer“ wird Teil des Alltags, Teil der Arbeit, ist nicht mehr nur Objekt der Begierde, sondern reales Arbeitsinstrument. Die Schüler arbeiten damit im Unterricht, erledigen auf dem Laptop einen Teil ihrer Hausaufgaben und Projektarbeiten, kommunizieren mit ihren Lehrern direkt und jederzeit und lernen im Laufe der Jahre den sinnvollen, kompetenten und souveränen Umgang mit der vierten Kulturtechnik. Nicht „Spielen“ steht im Mittelpunkt, sondern Lernen und Arbeiten. Und weil die Kinder und Jugendlichen den Tag ganz selbstverständlich mit dem Computer verbringen, ist die Sucht danach weniger groß.
Wenn Sie selbst lesen, wenn sie ihren Kindern vorlesen, wenn Ihre Kinder mit Freude lesen lernen, dann wage ich zu behaupten, dass ihre Kinder auch dann gerne lesen werden, wenn sich alles um sie herum gerade im digitalen Wandel und somit in einer recht komplexen Veränderung befindet. Glaube ich der empirischen Forschung, ist die Lesefreude bei Kindern seit den 90-er Jahren stabil.
Was die i-Phones und das Chatten, Instagram oder Facebook betrifft, da plädiere ich für Zurückhaltung, weil man nicht unbedingt mit 10 Jahren ein i-Phone haben muss (siehe hierzu mein nächstes Essay). Den Zugang zum Internet kann man begrenzen, die Nutzungs-Zeit auch, und wenn dann mit 12 Jahren der Laptop in die Schulen kommt, wird nicht „das Spielen“ zum Wichtigsten, sondern dass und wie gut man seinen Laptop beherrscht.
Klar ist: Verbieten kann ich nur, was ich selbst kenne! Und das wiederum bedeutet, dass Eltern zumindest auf dem Stand ihrer Kinder sein sollten, um anerkannte Partner und zugleich Eltern mit Autorität zu sein.
Umfragen haben gezeigt, dass Schüler ihre digitale Kompetenz höher einschätzen, als es ihre tatsächliche Leistung zeigt. Und auch hier sollte ein Realitätscheck vorgenommen werden. Natürlich kann ich das Ganze abtun, ignorieren, verteufeln, aber die Zeit schreitet fort, die Welt dreht sich weiter und am Ende steht ein Kind, das sich in der „neuen Umgebung“ ziemlich schwer tut.
Für die Schule fordere ich Hardware und Software von Bildungs-Medienanbietern, eine zukunftsorientierte Lehrplangestaltung, die Fortbildung der Lehrer. Diese müssen in Zukunft erkennen, dass sie nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch Rollenvorbilder für ihre Schüler sind, wie man mit Digitalisierung achtsam und verantwortungsvoll umgeht.
Und wenn ihre Schule das nicht leistet oder leisten kann, dann schicken sie ihre Kinder in die Zukunftswerkstatt von Google, damit sie ihre Kinder gezielt weiterbildet und gleichzeitig helfen kann den digitalen Rückstand in Deutschland aufzuholen.
Es ist schwer zu verstehen, dass man sein Kind auf die Zukunft vorbereitet und im weitesten Sinn auch den wirtschaftlichen Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands unterstützt, wenn man gleichzeitig gegen ein Smart–, i- oder was-auch-immer-Phone kämpfen muss, das augenscheinlich die Kinder beeinflusst und von wichtigeren Dingen ablenkt! Daher mein Appell zur aktiven Steuerung: Wissen Sie um was es geht, mischen Sie sich ein und achten Sie auf die digitale Welt ihrer Kinder.
Das bedeutet für Eltern schlichtweg, dass sie in der realen und digitalen Welt ihrer Kinder vorhanden sein müssen. Das macht das Erziehen und Eltern-Sein sicherlich nicht einfacher, ist mitunter sogar ziemlich anstrengend, aber es ist unausweichlich und wird sich nicht nur in der Didaktik, sondern auch in der Erziehungspraxis niederschlagen. Auch in diesem Zusammenhang plädiere ich für eine Ganztagsschule nach angelsächsischem Vorbild, mit Schule den ganzen Tag und dadurch mehr Aktivität, mehr Interessen, mehr Unterstützung und mehr Auslastung der Schüler, ohne sie dabei allein zu lassen – sei es mit zu vielen und zu schweren Hausaufgaben, sei es mit zu viel Freizeit.
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